Ja, wo samma denn?


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Stalinismus, Nordkorea und jetzt auch Faschismus in Pullach

Ich kann gar nicht so viel fressen,
wie ich kotzen möchte.
Max Liebermann (dt. Impressionist)

Über Wochen gießt der FDP-Fraktionssprecher im Isar Anzeiger einen Kübel Unrat nach dem anderen aus.
• Am 7. Mai spricht er von „Stalinismus“ und einem „Hauch von Nordkorea“ im Gemeinderat. Die Bürgermeisterin wird als „die böse Hexe“ bezeichnet.
• Am 14. Mai beklagt Herr Betz persönliche Angriffe in den Debatten des Gemeinderats. Gemeint sind die Äußerungen den Grünen ihm gegenüber. Er spricht von „Arroganz der Macht“ und „unlauteren Methoden“.
• Am 2. Juli ist Pullach ein „seltsamer Ort“ in dem die Bürgermeisterin durch einen Bluff der FDP einen politischen Erfolg versagt. Und er bezeichnet sich als Opfer eines „Shit-Storm“.
• Am 9. Juli verbreitet er das Gerücht, der 2. Bürgermeister wäre mit 100.000 € geschmiert worden. Obwohl er bekennt: ohne „irgendwelche, tatsächliche Anhaltspunkte“ zu haben.
• Am 16. Juli macht er den großen Rundumschlag und bezichtigt alle seine politischen Kontrahenten sich der gleichen Methoden zu bedienen wie Donald Trump: Diffamieren, Fake News verbreiten und Zensur. Fabian Müller-Klug, Sprecher der Grünen Fraktion, träume den Traum des 45. Präsident der USA: „Alle Presse gehört ihm und er kann bestimmen, was drin steht“.

Am 23. Juli wurde das sogar der FDP zu viel. Sie distanzierte sich „vom Ton mancher Beiträge im Isaranzeiger, die auch in unserem Namen gemacht wurden, in aller Deutlichkeit“. Die Unterzeichner, darunter immerhin Altbürgermeisterin Sabine Würthner und die ehemaligen und aktuellen Fraktionskollegen Burges und Reich wünschten sich eine Rückkehr zur „Sachpolitik zu unser aller Wohl“.

Endlich, mochte man meinen, hat der Spuk ein Ende. Doch weit gefehlt. Frau Eisenmann und Frau Petraschka springen Herrn Betz bei. Für die CSU-Fraktionssprecherin ist er „einer der gegen Unrecht aufbegehrt“. Gemeint ist natürlich das Unrecht, das ihr selbst widerfahren ist. Sie versucht immer noch die Auflösung ihres Arbeitsvertrags zur Angelegenheit des Gemeinderats zu machen und hofft so eine Abfindung und ein für sie günstiges Arbeitszeugnis zu erhalten.

Dem metaphorischen Boden des Fasses aber sprengt die Leiterin der Bücherei und Personalrätin, Frau Petraschka. Sie rückt diejenigen, die die verbalen Entgleisungen des Herrn Betz kritisieren und zu ertragen haben in die Nähe des Faschismus. Dabei beruft sie sich auch noch auf Ernst Nolte, der – so wie Betz – das Opfer von intoleranten Gegnern war. Nolte, Frau Petraschka, vertrat auch ein paar sehr fragwürdige Ansichten: So war für ihn der Holocaust eine „asiatische Tat“, die als Reaktion auf die Gräueltaten der UdSSR logisch gerechtfertigt war. Hitler habe das „Weltjudentum“ mit einer gewissen Berechtigung als einen Kriegsgegner betrachten müssen. (Siehe: Artikel in der „Welt“ vom 6.6.2016 „Er sagte zuerst, was die AfD jetzt denkt“)

Für mich als studierten Sprachwissenschaftler ist die Vergewaltigung von Umberto Eco durch die Bibliotheksleiterin als Kronzeugen gegen die Betz-Kritiker noch trauriger. Wer den Text des Semiotik Professors und großen Erzählers liest (www.pegc.us/archive/Articles/eco_ur-fascism.pdf) findet darin nicht einmal das Wort „Zensur“. Ja, Eco beschreibt das selbst erlebte Ende des italienischen Faschismus als Befreiung, zu der die wiedergewonnene Meinungs- und Pressefreiheit gehörten. Aber zu den 14 Kriterien, an der man eine faschistische Bewegung erkennt, gehört (Punkt 4) die Ablehnung der „analytischen Kritik“ und des wissenschaftlichen Diskurses zu Gunsten von „Irrationalismus“ und „Obrigkeitsdenken“. In Punkt 13 führt Eco aus, dass das Individuum im Faschismus keine (politischen) Rechte besitzt, weil sich der Wille des Volkes durch den Mund des Führers ausdrückt. Wer dem Führer widerspricht, stößt sich damit selbst aus der Volksgemeinschaft aus, wird zu ihrem Feind und muss ausgestoßen und bekämpft werden.

Zensur dagegen ist ein viel älteres Phänomen, ungefähr so alt wie die Verbreitung von Büchern. Die katholische Kirche hat Zensur ausgeübt, absolutistische Herrscher in Renaissance und Barock genauso, wie die USA der McCarthy Ära und totalitäre Regime heute. Alles Faschisten, Frau Petraschka?

Kritik ist mal Heldentum, mal Faschismus Das Weltbild, dass ich hinter den Äußerungen von Betz, Eisenmann und Petraschka ausmache ist folgendes: Wir leben in einer grünen Diktatur, in der die böse Hexe Tausendfreund mit Hilfe von willigen und gekauften Helfern die Meinungsfreiheit unterdrückt. Daran Kritik zu üben ist ein Akt des Heldentums, verbunden mit Mut und der Missachtung von persönlichen Nachteilen. Wer einen Helden angreift (oder ihm mit dem Doch in den Rücken fällt), ist ein Schurke.

In meinem Weltbild leben wir in einer reichen Gemeinde, die gerade eine demokratische Wahl hinter sich gebracht hat. Die BürgerInnen haben entschieden, wer sie im Gemeinderat vertreten und wer Bürgermeisterin sein soll, um zum Wohle aller Entscheidungen zu treffen, die schon viel zu lange aufgeschoben wurden. Im Isar Anzeiger darf jeder ohne Nachteile fürchten zu müssen, schreiben was ihm in die Feder fließt. In Pullach gibt es einige Akteure, die auf einen anderen Wahlausgang gesetzt haben und sich jetzt um ihre Zufkunftsplanung betrogen sehen. Sie leben in dem Wahn, sie seien Opfer. Und als Opfern stehe es ihnen zu sich so lange mit allen Mitteln zur Wehr zu setzen, bis die Demütigung und Benachteiligung durch den Täter wieder ausgeglichen sei. Alle Schäden, die dadurch angerichtet werden, fielen in die Verantwortung des Täters.

Ich kann damit leben, von solchen Menschen als Faschist geschmäht zu werden und ich habe genug Anstand es ihnen nicht mit gleicher Münze heimzuzahlen. Ich hätte auch genug Größe ihnen die Hand zu reichen, wenn sie sich entschuldigen wollten oder auch nur um zu einem normalen Umgangston zurückzukehren und eine gemeinsame Arbeit für Pullach wieder aufzunehmen. Ich bin nicht naiv genug dergleichen zu erwarten. Aber ausschließen möchte ich es nicht.

"Holger Ptaceck (Sprecher SPD-Fraktion)"